Deutsch: Von der Hummel, die den Kilimandscharo erklimmen wollte und als Löwin den Gipfel erreichte

English: The story of a bumblebee who wanted to climb Kilimanjaro and reached the summit as a lioness
December 22, 2018
Resumen de un viaje increíble (Summary of an amazing trip)
January 4, 2019

Es ist jetzt über zwei Wochen her, dass ich zusammen mit den anderen Ascenders auf dem Gipfel des Kilimandscharo stand. Und noch immer fühlt es sich unwirklich an, so als ob ich gar nicht selbst dabei gewesen wäre. War ich aber…

Was habe ich mir vorher Sorgen gemacht. Würde mein Training ausreichen? Wie reagiere ich auf die Höhe? Wie gehe ich damit um, wenn ich es trotz allem nicht schaffe – vorrangig mir selbst gegenüber, aber auch gegenüber der vielen Zweifler? Und Zweifler gab es viele, die meisten im Stillen, manche auch offener. An dieser Stelle vielen lieben Dank an zwei Powerfrauen, die von Beginn an an mich geglaubt haben, meine Tante Doris Reiss und meine Freundin Kathrin Brehme!

Die letzten Vorbereitungen in Deutschland waren kräftezehrend. Ich hasse Packen und dann auch noch für solche Extreme. Im Büro wollte das Jahr noch abgeschlossen werden und Weihnachten stand auch direkt vor der Tür. Ich freute mich einfach unendlich darauf, endlich diesen ersten Schritt auf dem Berg zu machen. Und von da an, einfach einen Fuß vor den anderen zu setzen und zu sehen wie weit mich das führen würde. Was das Ziel auf dem Kili anging, hatte ich vorerst nur das Kibo Hut Camp vor Augen, das Basecamp vor dem eigentlichen Gipfel. Bis dahin wollte ich unbedingt kommen, alles andere wäre die Zugabe und abhängig von so vielen Aspekten.

Kaum wiedervereint mit meinen Ascenders war dieses Klassenfahrtgefühl wieder da. Alle hatten ein gemeinsames Ziel vor Augen, teilten ähnliche Sorgen, trugen ihr eigenes kleines Päckchen den Berg hoch und wussten, dass wir dieses Abenteuer nur als Team würden bewältigen können. Und ein Team sind wir, vom ersten bis zum letzten Moment des Weges! Wir hätten es sonst niemals alle und dann auch noch fast gleichzeitig auf den Gipfel geschafft.

Am ersten Morgen im Hotel kam ich im Frühstücksraum an und wurde direkt wieder nach draußen geschickt. Von unserem Garten aus konnte man dank des strahlend blauen Himmels den Kili sehen!!! Es war unbeschreiblich ihn so echt vor uns zu sehen, so weit weg und doch irgendwie ganz nah. So riesengroß oder doch nicht?

Nach dem Frühstück standen wir vor der ersten großen Herausforderung. Die Koffer aus Heathrow waren nicht angekommen und es bestand trotz des einen Tages Puffer das Risiko, dass Keris, Pippa und Simon Ihre Ausrüstung nicht rechtzeitig bekommen würden. Nach dem Frühstück wollten sie sich daher zusammen setzen und checken was sie haben, was fehlt und wie die fehlenden Dinge beschafft werden könnten. Die Ascenders wären nicht die Ascenders, wenn sie damit alleine gewesen wären. Alle gemeinsam saßen wir zusammen und gingen durch die Packliste. Viele der fehlenden Dinge konnte ein anderer beisteuern und nur manches musste gekauft oder geliehen werden. Diese Diskussion war für uns alle so hilfreich. Keris, Pippa und Simon wussten, dass alles gut werden würde und wir anderen haben uns nochmal intensiv damit auseinander setzen können, was wir wirklich brauchten und was vielleicht doch nicht. Eine unerwartet starke Teambuildingmaßnahme. Das Gepäck tauchte am Abend aber zum Glück auf.

Es folgte am Mittag der Ausrüstungscheck und das Briefing durch unsere Guides Whitey und Julio. Dazu sollten wir alle Sachen auf unserem Bett ausbreiten. Es klopfte an meiner Tür und da stand Christine, unser englischer Guide, mit Whitey unserem Head-Guide. Sein breites Lachen passte kaum durch die Tür und ich wusste von diesem Moment an, dass ich in den besten Händen war. Dieses Lächeln würde uns ganz bestimmt sicher auf den Berg führen und auch wieder runter.

Dieser Eindruck wurde beim anschließenden Briefing noch verstärkt und ich freute mich noch mehr auf diesen ersten Schritt am Berg, den ersten von so vielen. Habt ihr schon mal davon gehört, dass man um ein guter Anführer sein zu können, zunächst lernen muss, sich führen zu lassen? Genau das wollte ich, meinem Guide vertrauen, einfach machen was er sagt und Schritt für Schritt den Kilimandscharo erklimmen. Einfach weil er es so viel besser weiß.

Und dann ging es los, zum Rongai Gate. Das Abenteuer begann. Es ging bergauf, aber nicht so steil. Es war warm, aber nicht zu warm. Und wir liefen einfach. Durch den Regenwald und später durch Heide- und Moorland. Clare und Hilary, unsere Bodentruppe, waren auch dabei! Und das ist die Gelegenheit nochmal von ganzem Herzen “Danke” zu sagen, an Clare und Hilary, aber auch an Michelle und Beth in London. Ohne Euch wäre das alles nicht möglich gewesen. Ihr habt so hart gearbeitet, um uns diesen Traum zu ermöglichen. Vielen Dank dafür, Ihr ward in unseren Herzen mit auf dem Gipfel!

Früher als ich dachte erreichten wir unser erstes Camp, das Simba Camp auf 2671m. Gerade rechtzeitig vor dem großen Regen schafften wir es in unsere Zelte, wo wir uns für die nächsten 6 Nächte häuslich einrichten durften. Um 18 Uhr gab es Abendessen, wie eigentlich jeden Abend und dabei das obligatorische Messen der Sauerstoffsättigung im Blut und des Pulsschlags. Außerdem begannen wir mit unserem so wichtigen Ritual, der 1-10 Runde: “Auf einer Skala von 1-10, wie geht es dir heute. Wie war Dein Tag und was sind Deine Highlights und Lowlights?” Wir erfuhren viel voneinander in diesen Runden und wussten sehr gut darüber Bescheid, wer gerade mit was kämpft, vielleicht Hilfe braucht oder wer Energien hat um anderen zu helfen.

Die erste Nacht im Camp brach an und sie war alles andere als ruhig. Ich konnte wie viele andere kaum schlafen. Es regnete und ich musste dauernd aufs Klo. Schließlich war viel trinken wohl der Schlüssel zum Erfolg und gegen die Höhenkrankheit. Zeit sich an das laute Geräusch von Reißverschlüssen in der Nacht und an Campingtoiletten zu gewöhnen.

Am nächsten Morgen hieß es gleichzeitig Abschied zu nehmen und Hallo zu sagen. Bei Gesang und Tanz und guter Laune lernten wir unser gesamtes Begleitteam aus Guides, Köchen, Portern etc. kennen. Ein absolutes Highlight für mich. Und beim Tanzen merkte ich auch das erste Mal, dass die Luft dünner wurde. Ich kam ordentlich außer Atem. Bevor wir dann zum Second Cave Camp aufbrachen, mussten wir Clare und Hilary verabschieden. Für sie war das Simba Camp der Kili-Gipfel und sie würden im Tal auf uns warten, die Außenwelt mit Neuigkeiten versorgen und natürlich für jegliche Notfälle bereit stehen.

Es ging weiter den Berg hoch und die Vegetation wurde karger. Die Gespräche zum Teil auch. Manche von uns liefen lieber im Stillen und konzentrierten sich auf sich selbst und ihre Atmung. Andere redeten gern und viel. So langsam zeigte sich, wer was brauchte und mit wem am besten zusammen laufen konnte. Ich gehörte definitiv zu den stillen Läufern und versuchte sehr bewusst zu atmen. Tief durch die Nase ein und durch den Mund aus. Ich glaube tatsächlich, dass diese Atmung, die ich auch in den langen schlaflosen Nächten anwendete, mir sehr geholfen hat.

Im Second Cave Camp erlebten wir einen dieser magischen Momente auf unserem Weg. Alles war dicht in Wolken gehüllt und es regnete mal wieder. Am Nachmittag aber klarte es auf und die Ascenders erkundeten die Gegend und die namensgebende Höhle. Fast alle standen im Camp verstreut als sich hinter den Wolken langsam etwas abzeichnete. War das etwa??? Wir fragten einen der Guides, ob das wohl der Kibo sei und bekamen die eigentlich überflüssige Bestätigung. Nach wenigen Minuten zeigte sich der Gipfel in voller Pracht, ganz nah und unendlich weit weg. Ein unbeschreiblicher Moment für uns alle!

Die Campabläufe festigten sich langsam. Ankommen, Regen, Ausruhen im Zelt, wieder rauskrabbeln für einen Nachmittagssnack, Abendessen um 6, Medizincheck, 1-10 Runde und Briefing für den nächsten Tag. An diesem Abend erklärte uns Whitey, dass wir die Route aufgrund des Wetters ändern würden. Wir ließen Mawenzi aus und gingen stattdessen auf der kürzeren, direkten Route über das Third Cave Camp zum Kibo Hut Camp. Wie gesagt, wenn Whitey das für richtig hält, ist es richtig, ich war völlig entspannt.

Die Nacht war nass, sehr nass, draußen und in meinem Zelt. Es war leider etwas undicht und so schlief ich auch in dieser Nacht nicht wirklich. Aber alles nicht so wild, für die nächste Nacht bekam ich ein anderes. Das mit dem Schlafen, bzw. Nicht-Schlafen war schon ein wenig ätzend, aber Hubertus erklärte uns schon am ersten oder zweiten Abend, dass wir uns da nicht so stressen lassen dürfen. Wenn wir nicht schlafen, aber trotzdem ruhig und entspannt in unseren Schlafsäcken liegen, bekommt unser Körper auch schon 80% Erholung, das muss dann eben reichen.

Für den dritten Tag stand eine kurze Wanderung an bis zum Third Cave Camp auf 3800m. Und für den Nachmittag war ein Akklimatisierungsspaziergang auf über 4000m geplant. Ich bekam ganz kurz die Gelegenheit, meinen leicht feuchten Schlafsack in die Sonne zu legen, bevor es wieder anfing zu regnen.

Nach einer längeren Pause in unseren Zelten (ich hörte dabei die Playlist, für die man mir Lieder spenden könnte) ging es dann gegen 16:00 Uhr los zu unserem Akklimatisierungsspaziergang. Ganz langsam, pole pole, und beständig. Ich ging wie gewöhnlich als zweite hinter Keris, meinem kleinen Uhrwerk. Sie macht so gleichmäßige Schritte, dass ich ganz einfach in den Rhythmus fand. Danke Keris, auch dieser Rhythmus war für mich ein Erfolgsgeheimnis! Es war nicht schwer und es war nicht weit bis wir auf knapp 4100m an einem Felsen ankamen. Über 4000m, zum ersten Mal in meinem Leben, unglaublich. Und dann brachen die Dämme. Ich war so stolz auf mich, und ich war so glücklich, dass es mir dabei noch so gut ging! Ich hatte Kopfschmerzen, schon seit dem zweiten Tag glaube ich, und man merkt auch dass alles etwas anstrengender ist. Mein Herz schlägt schneller, das lässt mich nachts nicht recht schlafen und kurz vor dem Third Cave Camp hatte ich einen ganz kurzen Moment mit Schwindel zu kämpfen. Nur eine Minute und das kurz nachdem ich etwas länger geredet hatte, aber deutlich. Und jetzt war ich hier, über 4000m, noch recht fit und guter Dinge. Das war mehr als ich erwartet hatte und da kamen mir eben die Tränen. Ich weiß nicht genau wann mir Whitey meinen neuen Namen verpasst hat, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich ihn schon – Simba-Lady, die Löwin. Und so fühlte ich mich, wie eine Löwin, den Gipfel würde ich mir nun auch noch holen.

Bester Dinge kamen wir im Camp an. Der nächste Tag versprach hart zu werden. Eine etwas längere Strecke und 800 Höhenmeter bis zum letzten Camp, dem Kibo Hut Camp auf 4720m, wo wir zwei Nächte verbringen würden anstatt einer. Geplant waren zwei Nächte an der Mawenzi Tarn Hut, aber die haben wir ja nie angesteuert, stattdessen gingen wir über die Third Cave zur Kibo Hut. Für gewöhnlich kommt man dort an, schläft nur kurz und beginnt um Mitternacht den Aufstieg zum Gipfel, wir würden definitiv mehr Zeit vorher haben. Wann genau der Gipfel anstand, wussten wir aber noch nicht.

Der vierte Wandertag startete nicht gut für mich. Im Trockenen packte ich meine Sachen und ging zum Frühstück, der Regen startete bald darauf. Meine Regenklamotten waren im Rucksack, der war draußen und auf einmal versuchten alle, sich im Essenszelt, dem einzigen halbwegs trockenen Ort fertig zu machen, umzuziehen und zu frühstücken. Man kam nicht raus, man kam nicht rein, ganz schwierige Situation für mich. Ziemlich gestresst liefen wir in Regenklamotten los und ich brauchte eine Weile bis ich wieder im Tunnel war und im Rhythmus, hinter Boss-Lady Keris. Der Regen wurde zu Schnee und wir stapften immer weiter. Wir hatten sogar noch die Kräfte, ein legendäres Last Christmas Video im Schnee auf dem Kilimandscharo aufzunehmen, danke Simon!

Und dann, nach einer kurzen Pause, fiel ich etwas zurück und kam aus dem Tritt. Und mir wurde kalt. Es kann doch nicht sein, dass es unter meiner sauteuren Jacke nass war, oder doch? Es war definitiv nass und wurde immer kälter. Die Höhe tat ihr übriges und meine Kräfte schwanden. Whitey warf mir seinen Poncho über und wich nicht mehr von meiner Seite. Er führte mich durch den Regen und den Schnee, über die Felsen und den ganzen Weg bis in mein Zelt mit der Nummer 15 im Kibo Hut Camp. Ich war völlig am Ende und konnte auch nicht mit den anderen feiern, schon gar nicht, als wir noch nicht richtig in unserem Camp angekommen waren. Im Zelt angekommen zeigte sich das ganze Schlamassel. Alles an mir war nass. Ich musste mich so schnell wie möglich umziehen, aber das war leichter gesagt als getan. Mein Kopf tat weh, mir war unfassbar kalt und alles ging nur in Zeitlupe. Whitey schaute vorbei und fragte ob ich nasse Sachen hätte, die getrocknet werden müssten und ich gab ihm meine Jacke und mein Fleece, pitschnass. “Jetzt wundert mich nichts mehr” , meinte er und verschwand mit meinen Sachen in Richtung Küchenzelt. Ich brauchte jetzt dringend etwas zum Aufwärmen und ging immer noch ziemlich wackelig in Richtung Essenszelt. Dort waren schon ein paar andere Ascenders und kümmerten sich rührend um mich. Mit einer heißen Schokolade in der Hand weinte ich vor Erschöpfung an Jans Schulter – danke Jan!!! Es ging mir schnell besser und nach einem Powernap im Zelt war ich wieder hergestellt. Zeit also den Geocache in der Nähe zu suchen, nur 70m entfernt. Vor meinem Zelt traf ich auf Jan und fragte ihn, ob er mitkommt. Tat er, und so kletterten wir durch die Felsen auf der Suche nach einem kleinen Filmdöschen – letztendlich mit Erfolg!

Niemand wusste genau, wie es weitergehen würde. Haben wir einen ganzen Tag Pause hier bevor wir in der nächsten Nacht den Gipfel angehen? Hatten wir nicht, wir würden es am nächsten Morgen versuchen, tagsüber und fast einen Tag früher als geplant! Das war für manche ein kleiner Schock und was war mit Martin und Keris, die heute am schlimmsten unter der Höhe litten? Sie brauchten eigentlich die längere Pause, aber würde es Ihnen dann wirklich besser gehen? Oder anderen sogar plötzlich schlecht? Commander White hatte gesprochen und wir folgten, es würde schon alles gut gehen!

Nach einer kurzen Nacht ohne viel Schlaf sollte es um 6:30 Uhr losgehen in Richtung Gipfel. Wir wachten zu einem wunderschönen Sonnenaufgang über dem Mawenzi auf und der Kibo grüßte uns aus klarem Himmel.

 

 

Kaum jemand konnte ordentlich etwas frühstücken, es war alles recht still im Camp. Martin und Keris waren mit dabei, die ersten großen Helden dieses Tages. Heute gab ich auch direkt von Beginn an meinen Rucksack ab, ich wusste, dass ich es mit Rucksack wohl nicht schaffen würde, er war einfach zu schwer mit dem ganzen Wasser und den dicken Klamotten und Snacks. Ganz still zogen wir im Gleichschritt (also zumindest Whitey, Keris und ich am Anfang der Schlange) los. Unendlich lang einfach immer weiter, weiter nach oben. Ich hatte absolut kein Zeitgefühl mehr und bekam wenig um mich herum mit. Dass Pippa sehr litt und mit ihrem Magen kämpfte war allerdings nicht zu übersehen. Princess Pippa war so tapfer und lief einfach weiter. Lass doch den Magen Magen sein! Thibault schloss sich ihr später an, zwei ganz besondere Helden an diesem Tag.

Schier endlos schlängelten wir uns den Weg im Zickzack hoch, immer wieder über das lockere Aschegeröll drüber. Zwischen dem Geröll-Zick-Zack und Gilman’s Point, unserem ersten Ziel am Kraterrand, wartete nun noch ein felsige, steiler Abschnitt auf uns. Habe ich schon erwähnt, dass alles endlos schien??? Aber wir mussten weiter, einfach nicht nachdenken. Das war körperlich das härteste Stück der ganzen Wanderung und kostete so wahnsinnig viel Kraft. Aber wir schafften es, alle gemeinsam. Irgendwann war da dieses Schild, das Schild von dem ich bisher schon viele Fotos gesehen hatte, das Schild zu Gilman’s Point, auf 5685m. Und wenn man Gilman’s Point erreicht hat, hat man offiziell den Kilimandscharo bestiegen. Die Autovista Ascenders hatten alle zusammen den Kilimandscharo bestiegen, unglaublich. Keine Frage, dass auch jetzt wieder Tränen der Freude, Erleichterung und Erschöpfung flossen. Es war unbeschreiblich. Natürlich machten wir hier auch schon ein Gruppenfoto mit Banner, wir wussten ja nicht, was noch kommen würde.

Von Gilman’s Point aus kann man Uhuru Peak, den höchsten Punkt des Gipfels sehen. Sieht gar nicht weit aus. Wir machten uns also auf den Weg durch mehr oder weniger hohen Schnee und schmale Pfade. Die Tatsache, dass wir tagsüber den Aufstieg gemacht haben hat auch den Vorteil, dass außer uns einfach niemand hier oben ist! Wir passierten Stella Point, den Endpunkt für ein paar andere Routen und gingen immer weiter. Es waren am Ende drei Stunden, aber wie schon oben gesagt, Zeitgefühl hatte ich keines mehr. Irgendwann lief Guide Chunga an mir vorbei und sagte lächelnd sowas wie “Siehst Du, ich habe Dir doch gesagt, Du würdest es nach ganz oben schaffen”.”Das hast Du”, entgegnete ich, “aber woher wusstest Du das?”. “Ich habe Deine Willenstärke gesehen, Simba-Lady”.

Zwischen Stella Point und Uhuru Peak hat mich dann die Höhe und die Erschöpfung komplett erwischt. Ich hätte im Stehen einschlafen können und wollte auch genau das. Jeder Schritt fiel mir unheimlich schwer und irgendwann hakte ich mich bei meinem Guide Justin unter. Einfach weiter, es kann nicht mehr weit sein. Justin stützte mich und Whitey fütterte mich und Keris mit Traubenzucker. Nach einem kurzen Halt auf einem Stein, haben wir es dann auch geschafft, wir standen am Uhuru Peak, zusammen mit ALLEN anderen!!!

Es wurden Bilder gemacht, es wurde gefeiert und ich aß Plätzchen. Weihnachtsplätzchen, die mein Mann Christopher gebacken hat, etwas ganz besonderes. Und überhaupt, Christopher ist auch ein Held dieses Tages. Er musste über acht Monate lang zurückstecken und eine Kilimandscharo-verrückte Frau ertragen. Wir sind beide froh, dass wir jetzt unser gemeinsames Leben wieder zurück bekommen. Danke für alles!!!

Dann wurde es hektisch, nach dem Aufstieg ist vor dem Abstieg und der hat es für gewöhnlich auch in sich. Wir waren zu diesem Zeitpunkt schon 11 Stunden unterwegs. Die Endorphine haben uns noch bis zum Gipfel getragen und sich dann verabschiedet, runter ging es also ohne. Glücklicherweise konnten wir uns auch jetzt wieder auf unsere Crew verlassen! Aus dem Camp waren zusätzliche Helfer gekommen, um uns alle sicher nach unten zu geleiten und das zum Teil im Dunklen. Ich erreichte Gilman’s Point als ich jemanden sagen hörte, dass wir nur noch eine halbe Stunde Tageslicht haben würden und deshalb schnell den Abstieg machen müssten. War es etwa wirklich schon so spät? Ich hatte keine Ahnung, einfach nur weiter einen Fuß vor den anderen setzen. In rasender Geschwindigkeit ging es in Richtung Tal, immer gestützt bzw. unterstützt von mindestens einem Guide. Es war stockdunkel und ich war einfach nur noch müde. Der Abstieg schien endlos und außerdem begann mein linkes Knie zu schmerzen, ich muss es mir irgendwo auf der Geröllpiste verdreht haben. Mein Guide Justin stützte mich also links noch ein bisschen mehr und brachte mich ziemlich genau um 20:00 Uhr heil und völlig erledigt ins Essenszelt im Camp. Dort warteten schon die ersten Ascenders auf jeden weiteren erfolgreichen Gipfelstürmer und starteten sofort mit der Zubereitung eines heißen Getränkes nach Wahl. Auch diese Kleinigkeiten machten unser Team so unglaublich besonders. Ich glaube bis 20:30 Uhr waren alle vom Berg wieder runter und verschwanden mehr oder weniger direkt in ihren Schlafsäcken. Mir fielen die Augen zu und für die nächsten drei Stunden schlief ich so tief wie schon seit Tagen nicht mehr. Ich hatte es tatsächlich geschafft. Ich stand auf dem Gipfel des Kilimandscharo!

Der nächste Morgen startete mit einem traumhaft schönen Sonnenaufgang und Bilderbuchwetter. Die Sonne schien, der Himmel war blau, nur um den Gipfel herum hingen merkwürdige Wolken, Sturmwolken wie ich kurz danach erfuhr. So ein Glück, dass wir nicht jetzt gerade dort oben waren, so wie es eigentlich ursprünglich geplant war. Unser Programm an diesem sechsten Tag sah einen moderaten Abstieg zu unserem letzten Camp vor, dem Horombo Camp auf 3720m. In bester Stimmung und Verfassung liefen wir also los über den weiten Sattel zwischen Kibo und Mawenzi und genossen die neu gefundene Leichtigkeit unserer Schritte, die gelöste Stimmung und die atemberaubenden Ausblicke. Die Wanderung heute war eine zum Feiern und Genießen. Mein Knie wollte nicht ganz mitfeiern und zwickte doch recht ordentlich, vor allem auf den steileren und felsigeren Stücken, aber das war jetzt auch irgendwie egal. Heute war es auch nicht mehr so ruhig auf dem Weg, es wurde geschnattert und gelacht, was so ein bisschen mehr Sauerstoff doch so alles bewirkt. Wir befanden uns nun auch auf einer anderen Route, nicht mehr auf der Rongai Route, die nur auf den Berg hinauf führt. Für unseren Abstieg folgten wir der Marangu Route und hatten auf einmal auch Gegenverkehr von vielen Portern, die für ihre Gäste die Ausrüstung ins Kibo Camp brachten.

Gegen Mittag erreichten wir das Horombo Camp und durften direkt zum Mittagessen gehen. Das war auch bitter nötig. Am Abend vorher hatte kaum jemand wirklich etwas gegessen, da kamen Pommes und Hähnchen genau richtig. Dann hieß es wieder ausruhen und Kräfte tanken. Wir erfuhren auch, dass Christine und Martin an diesem Abend schon die Reise ins Tal antreten würden, das Horombo Camp ist eines der wenigen Camps, das mit einem Fahrzeug erreicht werden kann. Als es also am Nachmittag etwas geschäftiger wurde auf dem “Dorfplatz”, kletterte ich aus meinem von der Sonne gewärmten Zelt und lief mit den anderen zum Campausgang, um mich zu verabschieden. Wir ließen den Nachmittag dann bei Kaffee, Tee und heißer Schokolade im Essenszelt ausklingen.

Der medizinische Check war nicht mehr nötig an unserem letzten Abend, die 1-10 Runde ließen wir uns aber nicht nehmen. Dass wir dabei alle ausgesprochen hohe Werte hatten dürfte keine Überraschung sein.

Nach der letzten Nacht im Zelt (war es wirklich schon vorbei?) erwartete uns noch ein knapp 20km langer Abstieg zum Marangu Gate, immerhin knapp 2000 Höhenmeter niedriger. Keine ganz einfache Angelegenheit, aber was sollte uns jetzt noch stoppen. OK, mein Knie vielleicht, aber das wurde mit Bandage und Schmerztablette auch besänftigt. Bevor wir jedoch aufbrachen, stand ein weiteres Highlight an, die Verabschiedung von unserer Crew. Diese Jungs und unsere Heldin Ekeney haben das Ganze für uns erst möglich gemacht und waren immer da, im Großen und im Kleinen. Sie führten uns auf den Gipfel, trugen die komplette Ausrüstung nach oben, kochten unglaublich leckeres Essen und erschienen aus dem Nichts um zu helfen, wenn z.B. ein Reißverschluss klemmte oder eine Wasserflasche gefüllt werden wollte. Es war uns eine Ehre, mit ihnen singen und tanzen zu dürfen, bevor wir unseren langen Weg ins Tal antraten.

An der Mandara Hut genossen wir unser letztes Essen am Berg, und die Sonne, und die ersten richtigen Toiletten seit Tagen! Es war auch eine willkommene Gelegenheit, unsere vom Abstieg geschundenen Füße etwas zu lüften und in manchen Fällen zu verarzten. Die ganze Woche kamen wir quasi ohne Blasen etc. aus, aber der lange Abstieg forderte seinen Tribut. Und dann gab es kein Halten mehr. So schnell jeder konnte ging es weiter durch den Regenwald in Richtung Ausgang, in Richtung Bus und damit auch in Richtung Dusche. Nur vielleicht zwei Kilometer vorm Ausgang habe ich an einem steileren Stück den Anschluss an die erste Gruppe verloren und wartete von da an minütlich darauf, dass ich Jubelschreie hören würde. Hinter jedem Baum, hinter jeder Kurve erwartete ich das Ausgangsgate. Und als es dann da war, war es seltsam ruhig. Wir strahlten über alle Ohren, wir waren glücklich, aber vielleicht hatten wir auch noch nicht ganz verstanden, was da in den letzten 7 Tagen passiert ist. Ich glaube, das habe ich bis jetzt noch nicht.

Hilary empfing uns mit großem Grinsen, mit Kaltgetränken und Snacks. Merkwürdigerweise legte sie aber großen Wert darauf, dass sie einen Einzelplatz im Bus haben müsse… Uns umgab wohl doch ein gewisser Kilimandscharo-Mief, den wir selbst gar nicht wahrnahmen. Im Hotel warteten auch Clare, Martin und Christine voller Vorfreude auf uns und es flossen ein paar Freudentränchen. Dann aber floss etwas anderes, nämlich Wasser, aus der Dusche. Zugegebenermaßen kam da nicht so sehr viel aus der Leitung, kein Wunder, wenn alle Ascender gleichzeitig unter die Dusche springen, aber es war warm, nass und machte sauber. Ein tolles Gefühl. Natürlich floss den Rest des Abends auch noch einiges unsere Kehlen hinunter und es wurde ordentlich gefeiert. In einer sehr schönen Zeremonie überreichte uns Whitey unsere Zertifikate und da stand es dann schwarz auf weiß…

Es war also vollbracht, das vielleicht größte Abenteuer meines Lebens, sicher aber die größte körperliche Leistung. Etwas, das ich noch vor 12 Monaten für schier undenkbar gehalten habe. Acht Monate habe ich darauf hingearbeitet und mich vom absoluten Sportmuffel und Nichtwanderer zum Gipfelstürmer entwickelt. Es war ein hartes Stück Arbeit und es galt völlig neue Welten zu entdecken, und jeder einzelne Moment hat sich gelohnt. Ich startete als Hummel auf die Reise, als jemand der eigentlich nicht fliegen kann, aber es einfach trotzdem macht. Und diese Willensstärke bescherte mir dann auch meinen Kilimandscharo-Namen: Simba-Lady, die Löwin.

Ich möchte hier noch einmal “Danke” sagen. Ich danke allen, die mich auf unterschiedlichste Weise unterstützt haben und mein Abenteuer mitverfolgt haben. Allen, die uns beim Erreichen unseres Spendenziels geholfen haben und allen, die uns mit ihren Botschaften angefeuert haben. Ein paar Menschen habe ich schon weiter oben einzeln erwähnt, ein paar andere fehlen noch. Ich bedanke mich bei allen Ascendern dafür, dass wir das Team waren, das wir waren. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns gegenseitig diesen Berg hinauf getragen haben, Ihr habt für immer einen festen Platz in meiner Erinnerung und in meinem Herzen. Danke natürlich auch an Clare, Hilary, Michelle, Beth, Kirstin, Matt, Sarah, Donna, Jo, die über die letzten Monate so hart dafür gearbeitet haben, dass wir unsere Reise antreten konnten und dass die Welt von unseren Abenteuern erfährt! Danke auch an das Team von Physio Aktiv Bastian Hehner, vor allem Patricia und Vanessa, die mich fit gemacht haben für den Gipfel. Und danke an meine Julia, für alles und für das Knie tapen und die Massage bevor es losging, die hat nicht nur mein Nacken gebraucht, sondern auch meine Seele. Danke an meine Eltern und Schwiegereltern, die so eine Angst um mich hatten, ich bin doch wieder da. Danke an all meine Kollegen, die auch in hektischen Zeiten für mich eingesprungen sind, explizit erwähnen möchte ich dabei Christof, Christian und Ana – danke für alles! Und natürlich ein riesengroßes Dankeschön an Lindsey und das Exec team dafür, dass sie uns diese Möglichkeit überhaupt gegeben haben!

 

 

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